Eine neue Stadt erbaut niemand an drei Abenden, aber wir sind ein gutes Stück weit gekommen. Wollen wir weiterbauen? Soll sie weiterwachsen? Das muss nicht das Ziel dieser Art von Stadt sein – vielleicht bauen wir noch einmal eine neue Stadt, die wieder ganz anders ist, vielleicht bewahren wir auch die Stadt, wie sie jetzt ist, im Gedächtnis, und dort wird sie sich verändern oder langsam verschwinden…
Jedenfalls waren wir uns zu Beginn des ersten Abends einig, und am Ende des dritten Abends auch: Auf Stadt verzichten will niemand von uns, aber Stadt könnte anders, besser, den Einwohnern gerechter sein als die Städte, in denen wir leben.
Weil wir das so gesehen haben, haben wir begonnen, anhand von Stadtbildern, Bildern von menschlichen Situationen, Handlungszusammenhängen, Lebensverhältnissen unsere positiven Vorstellungen von dem, was Stadt sein könnte, zusammenzutragen und zu formulieren. Und dann haben wir, mit einzelnen Mustern aus der Mustersprache von Christopher Alexander für uns relevante neue Muster entwickelt.
Um die vorgeschlagene Arbeitsweise zu erläutern, habe ich Alexanders Mustersprache, das ‚House of cards‘ von Charles und Ray Eames, die Arbeit der ‚Planbude St. Pauli‘ in Hamburg und neue Versionen von Mustersprachen wie das transition town-Konzept und die Permakultur vorgestellt. Ich habe verschiedene literarische Texte vorgelesen, von Italo Calvino aus den unsichtbaren Städten die Geschichte von Raissa, in der das Leben nicht glücklich ist, die aber in jeder Sekunde „eine glückliche Stadt enthält“; von Julio Cortazar die Unterweisung im Treppensteigen aus den Geschichten der Chronopien und Famen, in der er den wertvollen Vorschlag macht, der Treppe, die man hinaufgestiegen ist, einen leichten Tritt zu versetzen, „der sie an ihren Platz fesselt, von dem sie sich nicht bewegen wird, bis man wieder hinabsteigt“; und von Kae Tempest aus ihrem Buch ‚Verbundensein‘ einen Abschnitt über Obdachlose und ihre sozial gewünschte ‚Unsichtbarkeit‘ in unserer Gesellschaft: „Und wie diese beiden Fraktionen derselben Menschheit nebeneinander existierten, ohne je zu interagieren, schien mir, von außen betrachtet, sehr genau durchchoreographiert.“
Und dann waren da noch die Bildtafeln von Jörg Müller zur historischen Veränderung der Landschaft und viele Bildbände zu Idealstädten, monumentaler und ökologischer Architektur, Stadtleben, Stadtkultur, Menschen in der Stadt…
Auf Karten, die den Eames-Karten des Steckspiels ‚House of cards‘ nachempfunden waren, haben wir unsere Vorstellungen, Muster, Ideen zusammengetragen, und aus den Karten haben wir in kurzer Zeit, ohne viel nachzudenken, unsere neue Stadt errichtet. Dadurch wurden die Ideen, Muster, Vorstellungen in räumliche Zusammenhänge gebracht, in unvorhersehbare Positionen, Nachbarschaften, Überlagerungen, nicht anders als die Gedanken, Erfahrungen, Handlungen der Menschen in der alten und immer wieder neuen Stadt, der nicht idealen, in der unsere neue, ideale Stadt Gestalt annimmt.
Das Bauen neuer Städte scheint ein lohnendes Ziel und zeitweise ganz vergnüglich zu sein.
Literatur und andere Quellen:
Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein: A Pattern Language. Towns, Buildings, Construction.
Sprache: Englisch / Oxford University Press / August 1978
Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein: Eine Muster-Sprache. Städte - Gebäude – Konstruktionen
Dt. Übersetzung. Herausgegeben von Hermann Czech / Loecker Erhard Verlag / April 2012
Christopher Alexander: The Timeless Way of Building
Sprache: Englisch / Oxford University Press / April 1980
Italo Calvino: Die unsichtbaren Städte
Originaltitel: Le città invisibili / Übersetzt von Burkhart Kroeber / FISCHER Taschenbuch / April 2013
Julio Cortázar: Geschichten der Cronopien und Famen
Originaltitel: Historias de Cronopios y de Famas / Übersetzt von Wolfgang Promies / Suhrkamp Verlag AG / September 2016
Kae Tempest: Verbundensein
Originaltitel: On Connection. Übersetzt von Conny Lösch / Suhrkamp Verlag AG / April 2021
Jörg Müller: Alle Jahre wieder saust der Presslufthammer nieder oder:
Die Veränderung der Landschaft
Illustriert von Jörg Müller / FISCHER Sauerländer / September 2016
Commons. Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat
Herausgegeben von Silke Helfrich, Heinrich-Böll-Stiftung / transcript Verlag / Juli 2015
(als pdf-Datei kostenlos im online-Buchhandel)
EAMES House of Cards. 32 Karten mit jeweils 6 Schlitzen und den Designs
von Charles und Ray Eames. Ravensburger
Kartenset »Muster des Commoning«
https://commons-institut.org/2020/kartenset-muster-des-commoning
Planbude St. Pauli, Hamburg
https://planbude.de/
Artikel zur Planbude St. Pauli in der Zeitschrift Arch+
https://archplus.net/de/commoning/
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